Die Vitamin D3 Dosis Diskussion

Vitamin D-Dosis und Zielbereich des anzustrebenden 25(OH)D3-Spiegels in der Basistherapie der Osteoporose zur Prävention und Therapie osteoporotischer Frakturen

Ausgezeichneter, differenzierter, dialektischer Kommentar von Dr. Hümpfner, Osteologe, Deutschland (Redaktion Dr. med. Giovanni Ruffo)

Fragen:
Welche Vitamin D-Dosen sollten zur Supplementation eingesetzt werden ?

- 400 I.E ? – 800 I.E. ? – 1.000 I.E. ? – 1.200 I.E. ? oder > 1.200 I.E ?

Welcher Zielbereich für 25(OH)D3 sollte angestrebt werden?- Sind > 20 ng/ml ausreichend ? (aktualisierte DVO-Leitlinien 2009)

- oder sollten mindestens 30ng/ml und höher angestrebt werden ? (M. Holick)
- oder sogar > 40 ng/ml als „optimaler“ Vitamin D-Spiegel ? (zahlreiche andere
Autoren)

Im folgenden soll aus endokrinologischer Sicht eine detaillierte und rationale Begründung für eine höhere Vitamin D-Supplementation als 1000 I.E/Tag und eine Erhöhung des angestrebten Zielbereichs der 25(OH)D3-Konzentration auf 30 ng/ml und höher dargestellt werden.

Aufgaben und Nutzen des Vitamin D im Knochenstoffwechsel bei adäquatem Versorgungsstatus:
Die Vitamin D-Effekte in der Prävention und Therapie der osteoporotischen Fraktur(en) sind vielschichtig, aber dosisabhängig, d. h. an den erreichten Plasma-Vitamin D-Spiegel (25(OH)D3) unter Supplementation geknüpft.

1. Sicherstellung eines ausreichend hohen (adäquaten) 25(OH)D3-Spiegels als
Substrat für die endogene Synthese des aktiven Vitamin D-Hormons
Calcitriol
über die 1a-Hydroxlase in der Niere => systemisch endokrine Wirkung auf die Zielorgane Darm, Knochen, Niere und Nebenschilddrüse
- für die lokale autokrine/parakrine Synthese von Calcitriol (über ortständige, intrazelluläre 1a-Hydroxylasen) in verschiedenen Zellen und zahlreichen Organen (ca. n = 30), u.a. im Knochen und Muskulatur, Nebenschilddrüse, Nervensystem- für die zusätzlichen „pleiotropen“ Effekte von Vitamin D
auf die Mineralisation, Osteoklastenaktivität
neuromuskuläre Funktion, Körperbalance, Gang- und Standfestigkeit, Muskelkraft
sowie das damit verbundene Sturzrisiko.

2. Endokrine Funktionen des Vitamin D-Hormons:-
Zielorgan Darm: Sicherstellung einer ausreichend hohen enteralen
Resorption des zugeführten Kalziums (aus der Nahrung und/oder den
Supplementen) mit dem Ziel der Positivierung der Kalzium-Bilanz (durch Erhöhung
des resorbierten Anteils des zugeführten Kalziums von ca. 10-15% auf 30% und
höher bei Vorliegen einer Vitamin D-Suffizienz.
- Zielorgan Niere: Förderung der renal-tubulären Rückresorption von Ca in der
Niere (= zusätzlicher Beitrag zur Positivierung der Ca-Bilanz)
- Zielorgan Knochen: Optimierung des Einbaus von Kalzium und Phosphat in den Knochen => Verbesserung der Mineralisation, Knochendichte, Knochenelastizität, Bruchfestigkeit.

3. Im Knochen:
- Aufrechterhaltung einer ausreichend hohen Konzentration von aktivem 1,25 (OH)
2D3 (Calcitriol) neben anderen Vitamin-D-Metaboliten (24,25(OH)2D3 und 1,24,25
(OH)3D3)
=> Suppression der gesteigerten Knochenresorption (durch Suppression der PTH-
Sekretion, Zytokinfreisetzung aus den Makrophagen, Zytokin- und RANKL-induzierte
Osteoklastenvorstufen)
=> Normalisierung der Knochenumbaus (Remodelling)
=> Reduktion des Knochenmassenverlustes auf das altersentsprechende Ausmaß ´
(0.5-1.5%)
=> Anstieg der Knochendichte, je nach Skelettregion und Alter
=> Verbesserung der Knochenfestigkeit (Knochenqualität)
4. In der Skelett-Muskulatur:
- Verbesserung der Muskelleistung und neuromuskulären Koordination
=> Reduktion des Sturzrisikos

Insgesamt liefert das Vitamin D neben dem Kalzium einen mitentscheidenden Beitrag zur Optimierung des Therapieerfolgs in der Prävention und Behandlung der osteoporotischen Frakturen:
- über die Reduktion des Sturzrisikos und des damit assoziierten Risikos für
extravertebrale Frakturen
- durch Optimierung der Antifrakturwirksamkeit der knochenspezifischen Pharmaka
bei der Therapie mit Bisphosphonaten, SERMs, Strontium-Ranelat und PTH-
Analoga).

Bedeutung der Vitamin-D-Insuffizienz in der Prävention und Therapie osteoporotischer Frakturen:

Vitamin D- Insuffizienz (Mangel), definiert als zu niedriger Vitamin D-Spiegel, bei dem die zahlreichen Vitamin D-Effekte nur unzureichend oder unteroptimal in der Prävention und Therapie der osteoporotischen Fraktur zur Geltung kommen, bedeutet unter laufender Osteoporose-Therapie mit den knochenwirksamen Medikamenten die Inkaufnahme eines unteroptimalen Therapieergebnisses bis hin zum Therapieversagen, z.B. durch die Abschwächung der Potenz der knochenwirksamen Therapeutika und/oder einer unzureichenden Absenkung des Sturzrisiko, weil dadurch das Risiko für periphere Frakturen weiter erhöht bleibt.
Als Folge eines unbehandelten bzw. unzureichend korrigierten Vitamin D-Mangels z.B. unter laufender antiresorptiver Bisphosphonat-Therapie (gewählt als Beispiel für die häufigste eingesetzte Therapiemodalität) kann es je nach Schwere des Vitamin-D-Mangels, zu einer „Low- bis Non-Response“ auf die Pharmakotherapie kommen, und zwar durch die Entwicklung oder durch fehlende Korrektur
- einer negativen Kalzium-Bilanz,
- eines gegenregulatorischen sekundären Hyperparathyreoidismus,
- eines Anstieg des Knochen-Turnovers,
- einer Abnahme der Mineralisation bzw. einer unzureichenden Mineralisation des
neugebildeten Osteoids
- mit dem Ergebnis der ausbleibenden oder geringeren Knochendichte-Zunahme unter
Therapie bis hin zum Knochendichteabnahme trotz Therapie und der persistierend
erhöhten Fragilität des osteoporotischen Knochens.
Barone et al., konnte in diesem Zusammenhang zeigen, dass unter Alendronat 70mg/Woche und Ca 1.500mg/die ohne Vitamin D-Substitution im Vergleich zur Gruppe mit zusätzlicher Vitamin D-Substitution (Calcitriol 0.5ug/d) bei vorbestehendem sek. HPT die Knochendichtezunahme nach 12 Monaten nur halb so hoch ausfiel bzw. die PTH-Absenkung invers korrelierte mit dem Knochendichte-Anstieg (-0.246, p=0.022) (Barone et al.: Secondary hyperparathyroidism decreases the beneficial effect of Alendronate in bone mineral density in osteoporotic women, ASBMR, F356, 2006).

Ich selbst habe in meinem Patienten-Klientel eine Reihe von zugewiesenen Osteoporotikern mit sog. „Therapieversagen“, bei denen sich z.B. unter Bisphosphonat-Therapie aufgrund insuffizienter Vitamin-D-Supplementation ein schwerer sek. HPT entwickelt hat, der neben einer fortlaufenden Abnahme der Knochendichte an LWS und Hüfte u.a. auch zu gehäuften peripheren Frakturen führte.

Wir müssen also begreifen, dass das „Fehlen einer Rachitis oder Osteomalazie nicht als Beweis gleichgesetzt werden darf, dass damit auch keine Vitamin D-Insuffizienz mehr vorliegt“ (R. Recker, ASBMR, 2006).
Vielmehr müssen wir nach heutiger Kenntnislage die bisher eingeengte Sichtweise des Vitamin D als bloßer „Knochenschutz“ vor Rachitis und Osteomalazie (Untermineralisation) erweitern, dass Vitamin D einen weitreichenden und komplexen Effekt auf eine große Zahl von Zellen und Geweben über seinen endokrinen, parakrinen und autokrinen Metabolismus ausübt. Nutznießer davon ist unter anderem, aber nicht ausschließlich der Knochen. Die nützlichen Effekte von Vitamin D auf Gewebe- und Zellebene lassen sich dabei nicht selektiv steuern oder gar trennen.

Vitamin D-Mangelkrankheiten und endokrinologische Folgen des Vitamin D-Mangels:

Heaney et al, 2003 unterscheidet zwischen einer Vitamin-D-Mangelkrankheit mit kurzer Latenz: z.B. Rachitis als rasch eintretende Manifestation bei schwerem Mangel und einer Vitamin D-Mangelkrankheit mit langer Latenz mit verzögerter Manifestation bei subklinischem Mangel: dazu gehört u.a. neben der Osteoporose-Entwicklung auch z.B. die erhöhte Inzidenz für die Entwicklung von Depression oder bestimmten Karzinom-Formen.
Die Einteilung der Schweregrade des Vitamin D-Mangels und der Vitamin D-Insuffizienz bzw. des „normalen“ oder „optimalen“ Vitamin D-Spiegels wird in der Literatur uneinheitlich mit unterschiedlichen Grenzwerten, je nach Autor angegeben.
Sinnvoll scheint mir die Einteilung der Hypovitaminosis D nach funktionellen/klinischen Kriterien zu sein (Autor M. Parfitt, Henry Ford Hospital, Detroit, 2006):
- Stadium 1:
Hypoabsorption von Kalzium mit negativer Kalzium-Bilanz
Sekundärer Hyperparathyreoidismus als Indikator für die homöostatische Anpassung des Ca-regulierenden Hormons PTH an die negative Kalzium-Bilanz
- Stadium 2.
Entwicklung einer Osteopenie / Osteoporose
durch gesteigerten Knochenmassenverlust infolge Ca- Mangels und / oder sek.
HPT´s
- Stadium 3:
Entwicklung einer Rachitis/Osteomalazie

infolge Mineralisationsstörung des Osteoids bei schwerem Vitamin-Mangel

Große Einigkeit findet man bei den einzelnen Autoren bezüglich der Definition des schweren Vitamin D-Mangels (Defizienz) mit Spiegel < 10 ng/ml (< 25 nmol/l).
- In diesen Bereichen entwickelt sich in der Regel in Abhängigkeit von der Dauer des Vitamin D-Mangels neben dem sek. HPT (> 30%) in unterschiedlichen Schweregraden in der Regel auch ein stark erhöhter Knochenumbau (High Turnover). - Die Entwicklung einer Osteopenie/Osteoporose (< 10ng/ml) oder Osteomalazie/Osteoidose (< 5-7ng/ml) zeigt dabei noch eine gewisse Abhängigkeit vom der Schwere der Erniedrigung des 25(OH)D3-Spiegels. (Lips P, 2004, Cannata-Andia, 2002, Vasquez, 2004).
 
Der Spiegelbereich zwischen 10-20ng wird je nach Autor als schwere (Cannata-Andia, 2002, Heaney, 2003) oder leichte (Lips, 2004) Vitamin D-Insuffizienz bezeichnet:
- In diesem Konzentrationsbereich kann es aufgrund des bestehenden
Substratmangels von 25(OH)D3 für die 1a-Hydroxylase weiter zum Anstieg der PTH-
Aktivität (sek. HPT) verbunden mit High Turnover, gesteigerter Knochenresorption
und sogar noch Auftreten von Looser´schen Umbauzonen kommen (Cannata-
Andia, 2002).
- Nach Lips (2004) soll bei diesen Spiegeln weniger häufig, nur noch in < 15% der
Fälle ein sek. HPT mit normalem oder erhöhtem Knochenumbau auftreten.
(Lips P, J Steroid Biochem. Mol. Biol., 2004).

Die Konzentration von > 20ng/ml wird von Lips, 2004 als „normal“ eingestuft, ab der keine PTH-Erhöhung mehr auftreten soll und nur noch ein normaler Knochenumbau vorzufinden ist. Richtigerweise definiert Lips den „normalen“ Vitamin D-Spiegel im Serum als den Punkt, unterhalb dessen der Anstieg des Parathormons einsetzt.
Seine globale Abschätzung für einen angemessenen 25(OH)D3-Spiegel bei 20ng/ml (= 50nmol/l) korrigiert Lips 1 Jahr später nach oben, indem er in einem gemeinsamen Statement zusammen mit Frau Dawson-Hughes, Robert P. Heaney, Michael F. Holick, Pierre J. Meunier und Reinhold Vieth die minimal wünschenswerte 25(OH)D3-Konzentration auf einen Bereich von 28-32ng/ml (70-80nmol/l) festlegt (Dawson-Hughes B. et al., Osteoporos Int., 2005: 16).
Der 25(OH)D3-Grenzwert von 20ng/ml (50nmol/l) wird von zahlreichen Autoren in Frage gestellt.
- Nach Zittermann, 2003 lässt sich bei Serum-Spiegel zwischen 20-40ng/ml
(50-100nmol/l) immer noch eine leichte Erhöhung der PTH-Aktivität mit vermehrter
Ca-Mobilisation aus dem Knochen nachweisen,
- bei einem Spiegel < 45 ng/ml beginnt bereits der Anstieg des PTH bei älteren
Frauen und Männern (Dawson-Hughes et al., 1997),
- bei einem Spiegel < 49 ng/ml verschlechtert sich der optimale PTH-Status
(Kinyamu et al, 1998).
- Eine ausreichende Suppression des sek. HPT wird erst ab einem Vitamin D-Spiegel
von > 30ng/ml (= > 75 nmol/l) erreicht (M. Holick, ASBMR, SU 583, 2004, Thomas
et al., N Engl. J Med.1998: 338).
- Bei der Ermittlung der Vitamin D-Konzentration, oberhalb der sich die enterale
Absorption von Kalzium nicht weiter erhöht, hat sich die 25(OH)D3-Konzentration
von 28-32ng/nl (70-80nmol(l) erwiesen (Heaney R.P, 2005).

„Optimaler“ Zielbereich von 25(OH)D3:
Frau Bess Dawson-Hughes gab auf die Frage nach den optimalen 25(OH)D3-Spiegel folgendes Statement ab:
- Es gibt keine gemeinsame Definition des „optimalen“ Vitamin D-Status.
- Die Meinungen für den unteren Grenzwert des Optimums für die Frakturprävention
variieren zwischen 20-32 ng/ml (50-80nmol/l). - 5 von 6 Experten halten den Spiegel von 30 ng/ml (75nmol/l) für den unteren Grenzwert. - Bei älteren Menschen haben sich höhere Spiegel oberhalb des Konsensus-Medianwerts von 30ng/ml (75nmol/l) als wirksam zur Frakturverhinderung erwiesen (Dawson-Hughes B., Osteoporos Int. 16/7, 2005). M. Holick (2003) und Heaney (2003) empfehlen als Zielbereich für den Vitamin D-Spiegel: > 30 ng/ml (> 75nmo/l). Wimalawansa S.J. (ASBMR, 2004) bestätigte, dass bei älteren Menschen ab > 55 Jahren eine ausreichende Suppression des sek. HPT´s erst ab Konzentrationen > 40 ng/ml erreicht wird.
Im Review von Frau Bischoff-Ferrari H.A et al., 2006, in dem die vorhandene Evidenz eines optimalen Schwellenwerts von 25(OH)D3 bezüglich Knochendichte, Gehge-schwindigkeit, Sturzrisiko und Frakturen (neben weiteren Vitamin-D-Effekten, z.B. auf die Inzidenz von kolorektalen Karzinomen und die Zahngesundheit) untersucht wurde, konnte sie nach Sichtung der derzeit vorhandenen Literatur zeigen, dass die „vorteilhaften“ Serumspiegel von 25(OH)D3 für alle Endpunkte bei 30ng/ml (75 nmol/l) beginnen und ein Optimum im Bereich zwischen 36-40 ng/ml (90-100nmol/l) erreichen.
- Beispiel: Die Gehgeschwindigkeit als Maß für die Funktion der unteren Extremität
war zwar bei einem Spiegel von > 16 ng/ml schon wünschenswert gebessert, aber
erst ab > 37.6ng/ml optimal.

Hamburger Beckenkammbiopsie-Studie von 2008 (Klatte T.O. et al, Osteologie, 2008, FV30):
- In der Hamburger Beckenkammbiopsie-Studie wurde anstelle des sek.HPT´s (als
unscharfer Surrogatparameter des Vitamin D-Mangels) der Nachweis einer

infolge Mineralisationsstörung des Osteoids bei schwerem Vitamin-Mangel

Große Einigkeit findet man bei den einzelnen Autoren bezüglich der Definition des schweren Vitamin D-Mangels (Defizienz) mit Spiegel < 10 ng/ml (< 25 nmol/l).
- In diesen Bereichen entwickelt sich in der Regel in Abhängigkeit von der Dauer des Vitamin D-Mangels neben dem sek. HPT (> 30%) in unterschiedlichen Schweregraden in der Regel auch ein stark erhöhter Knochenumbau (High Turnover). - Die Entwicklung einer Osteopenie/Osteoporose (< 10ng/ml) oder Osteomalazie/Osteoidose (< 5-7ng/ml) zeigt dabei noch eine gewisse Abhängigkeit vom der Schwere der Erniedrigung des 25(OH)D3-Spiegels. (Lips P, 2004, Cannata-Andia, 2002, Vasquez, 2004).

 
Der Spiegelbereich zwischen 10-20ng wird je nach Autor als schwere (Cannata-Andia, 2002, Heaney, 2003) oder leichte (Lips, 2004) Vitamin D-Insuffizienz bezeichnet:
- In diesem Konzentrationsbereich kann es aufgrund des bestehenden
Substratmangels von 25(OH)D3 für die 1a-Hydroxylase weiter zum Anstieg der PTH-
Aktivität (sek. HPT) verbunden mit High Turnover, gesteigerter Knochenresorption
und sogar noch Auftreten von Looser´schen Umbauzonen kommen (Cannata-
Andia, 2002).
- Nach Lips (2004) soll bei diesen Spiegeln weniger häufig, nur noch in < 15% der
Fälle ein sek. HPT mit normalem oder erhöhtem Knochenumbau auftreten.
(Lips P, J Steroid Biochem. Mol. Biol., 2004).

Die Konzentration von > 20ng/ml wird von Lips, 2004 als „normal“ eingestuft, ab der keine PTH-Erhöhung mehr auftreten soll und nur noch ein normaler Knochenumbau vorzufinden ist. Richtigerweise definiert Lips den „normalen“ Vitamin D-Spiegel im Serum als den Punkt, unterhalb dessen der Anstieg des Parathormons einsetzt.
Seine globale Abschätzung für einen angemessenen 25(OH)D3-Spiegel bei 20ng/ml (= 50nmol/l) korrigiert Lips 1 Jahr später nach oben, indem er in einem gemeinsamen Statement zusammen mit Frau Dawson-Hughes, Robert P. Heaney, Michael F. Holick, Pierre J. Meunier und Reinhold Vieth die minimal wünschenswerte 25(OH)D3-Konzentration auf einen Bereich von 28-32ng/ml (70-80nmol/l) festlegt (Dawson-Hughes B. et al., Osteoporos Int., 2005: 16).

Der 25(OH)D3-Grenzwert von 20ng/ml (50nmol/l) wird von zahlreichen Autoren in Frage gestellt.
- Nach Zittermann, 2003 lässt sich bei Serum-Spiegel zwischen 20-40ng/ml
(50-100nmol/l) immer noch eine leichte Erhöhung der PTH-Aktivität mit vermehrter
Ca-Mobilisation aus dem Knochen nachweisen,
- bei einem Spiegel < 45 ng/ml beginnt bereits der Anstieg des PTH bei älteren
Frauen und Männern (Dawson-Hughes et al., 1997),
- bei einem Spiegel < 49 ng/ml verschlechtert sich der optimale PTH-Status
(Kinyamu et al, 1998).
- Eine ausreichende Suppression des sek. HPT wird erst ab einem Vitamin D-Spiegel
von > 30ng/ml (= > 75 nmol/l) erreicht (M. Holick, ASBMR, SU 583, 2004, Thomas
et al., N Engl. J Med.1998: 338).
- Bei der Ermittlung der Vitamin D-Konzentration, oberhalb der sich die enterale
Absorption von Kalzium nicht weiter erhöht, hat sich die 25(OH)D3-Konzentration
von 28-32ng/nl (70-80nmol(l) erwiesen (Heaney R.P, 2005).

„Optimaler“ Zielbereich von 25(OH)D3:
Frau Bess Dawson-Hughes gab auf die Frage nach den optimalen 25(OH)D3-Spiegel folgendes Statement ab:
- Es gibt keine gemeinsame Definition des „optimalen“ Vitamin D-Status.
- Die Meinungen für den unteren Grenzwert des Optimums für die Frakturprävention
variieren zwischen 20-32 ng/ml (50-80nmol/l). - 5 von 6 Experten halten den Spiegel von 30 ng/ml (75nmol/l) für den unteren Grenzwert. - Bei älteren Menschen haben sich höhere Spiegel oberhalb des Konsensus-Medianwerts von 30ng/ml (75nmol/l) als wirksam zur Frakturverhinderung erwiesen (Dawson-Hughes B., Osteoporos Int. 16/7, 2005). M. Holick (2003) und Heaney (2003) empfehlen als Zielbereich für den Vitamin D-Spiegel: > 30 ng/ml (> 75nmo/l). Wimalawansa S.J. (ASBMR, 2004) bestätigte, dass bei älteren Menschen ab > 55 Jahren eine ausreichende Suppression des sek. HPT´s erst ab Konzentrationen > 40 ng/ml erreicht wird.
Im Review von Frau Bischoff-Ferrari H.A et al., 2006, in dem die vorhandene Evidenz eines optimalen Schwellenwerts von 25(OH)D3 bezüglich Knochendichte, Gehge-schwindigkeit, Sturzrisiko und Frakturen (neben weiteren Vitamin-D-Effekten, z.B. auf die Inzidenz von kolorektalen Karzinomen und die Zahngesundheit) untersucht wurde, konnte sie nach Sichtung der derzeit vorhandenen Literatur zeigen, dass die „vorteilhaften“ Serumspiegel von 25(OH)D3 für alle Endpunkte bei 30ng/ml (75 nmol/l) beginnen und ein Optimum im Bereich zwischen 36-40 ng/ml (90-100nmol/l) erreichen.
- Beispiel: Die Gehgeschwindigkeit als Maß für die Funktion der unteren Extremität
war zwar bei einem Spiegel von > 16 ng/ml schon wünschenswert gebessert, aber
erst ab > 37.6ng/ml optimal.

Hamburger Beckenkammbiopsie-Studie von 2008 (Klatte T.O. et al, Osteologie, 2008, FV30):
- In der Hamburger Beckenkammbiopsie-Studie wurde anstelle des sek.HPT´s (als
unscharfer Surrogatparameter des Vitamin D-Mangels) der Nachweis einer

Mineralisationsstörung in der Histomorphometrie als genauerer Parameter zum
Nachweis des Vitamin D-Mangels untersucht, denn nach bisheriger Literatur wurde
ein Spiegel über den Bereich von 12-40ng/ml als ausreichend für die Mineralisation
erachtet!,
- In der Studie wurde bewiesen, dass in der Bevölkerung eine unerwartet hohe
Prävalenz des Vitamin D-Mangels und der Osteoidose (Oberflächen-Osteoidose:
37.35%, erhöhtes Osteoid-Voliumen: >1.2%: 46.76%; > 2%: 27.62%) vorliegt,
- aber eine Osteoidose bei Vitamin D-Spiegel > 30 ng/ml nicht mehr nachweisbar ist.
- Daraus wurde die Empfehlung abgeleitet, dass durch Vitamin D-Supplementation ein 25(OH)D3-Spiegel > 30 ng/ml (>75nmol/l) angestrebt werden sollten.
Zahlreiche Autoren setzen den „optimalen“ Zielbereich von 25(OH)D3 mit dem unteren Grenzwert noch höher an, und zwar ab dem Grenzwert von 40ng/ml (100nmol/l):
- Cannata-Andia (2002): 40-100ng/ml (100-250nmol/l)
- Vasquez (2004): 40- 65 ng/ml ( 100-160nmol/l)
- Mahon (2003): 40-100 ng/ml (100-250nmol/l)
- Zittermann (2003): 40- 80ng/ml (100-200nmol/l)
 
Begründung: Der „optimale Zielbereich entspricht dem physiologischen Sommerbereich beim Nierengesunden: der Bereich ist gleichzeitig „ausreichend und sicher“ sowie „adäquat“.
In diesem Bereich wird die optimale Suppression der PTH-Aktivität und des assoziierten Knochenumbaus (Turnover) erreicht, die positive Kalzium-Bilanz sichergestellt (durch Verbesserung der enterale Ca-Resorptionsrate > 30%). Gleichzeitig wird die ausreichende Substratversorgung mit 25(OH)D3 für die renale und gewebsständigen 1-a-Hydroxylasen für die endokrine, auto- und parakrine Wirkung des aktiven Vitamin D-Hormons (Calcitriol) gewährleistet.

Anmerkung zum Begriff des „normalen Vitamin D-Spiegels":
Die meisten Laborinstitute sprechen auch heute noch bei den angegebenen Referenz-Bereichen für 25(OH)D3 von „Normalbereichen des Vitamin D-Spiegels“, der im Sommer doppelt so hoch ist wie im Winter:

- im Sommer: 20-120 ng/ml und im Winter: 10-60ng/ml.

Hier handelt es sich um den statistischen Durchschnitt der gemessenen Serum-Spiegel (als statistisch gemittelte Konzentration mit Standardabweichung) der „gesunden“, nicht-rachitischen und nicht-osteomalazischen Bevölkerung, obwohl aus anderen Studien bekannt ist, dass ein Großteil der Bevölkerung im Winter und auch im Sommer einen subklinischen Vitamin-D-Mangel aufweist, wenn man nach funktionellen und klinischen Kriterien der Vitamin D-Insuffizienz sucht. Das Problem dabei ist, sodass der unkundige Arzt dadurch falsch informiert wird und sich in falscher Sicherheit wiegt, weil die Laboratorien nicht die anzustrebenden Zielbereiche des Vitamin D mitteilen.
Da Osteoporose-Patienten immer als „knochenkranke“ Personen angesehen werden müssen, bei denen die Stellgrößen des Knochenstoffwechsels optimal eingestellt werden sollten, ist es besser, dass man künftig aufgrund der Diskrepanz zwischen „normalen“ und „optimalen“ Vitamin D-Spiegeln nicht mehr vom „Normal-Bereich“, sondern von „anzustrebenden Zielbereichen“ sprechen sollte, deren Werte höher als der Normbereich liegen. Ferner sollten die Laboratorien künftig die neuen Zielbereiche für 25(OH)D3 neben den Grenzwerten für die Schwere des Vitamin D-Mangels zur Beurteilung des Vitamin D-Status angeben.

Prävalenz des Vitamin D-Mangels in der BRD:
 

Auf dem Poster von Lim et al., beim ISCD-Kongress 2005 wurde eine Häufigkeit für Vitamin-D-Mangel, definiert als Serum-Spiegel < 30ng/ml (75nmol/l) bei postmenopausalen osteoporotischen Frauen in Deutschland in Höhe von 67.5% angegeben. Demnach haben hier mindestens 2 von 3 osteoporotischen Frauen einen Vitamin D-Mangel.

In der DeViD-Studie 2007 Deutschland (Kipshoven C. et al, Osteologie, 2008, P48), in der die Epidemiologie des Vitamin D-Versorgungsstatus in der Normalbevölkerung im Raum Leverkusen (N = 1.343, M: 615, F: 728, mittleres Alter: 57.6 J. (20-99 J.) im Zeitraum 26.02.-25.05.07 untersucht wurde, fand sich eine mittlere 25(OH)D3-Konzentration von nur 16.2 ng/ml (40.5nmol/l) (min. 6 bis max. 66.8 ng/ml).
Als wünschenswerter Bereich wurde > 32 ng/ml angegeben.
 

- Demnach wies fast die gesamte (94%) Bevölkerung in diesem Raum im
Frühjahr eine Vitamin-D-Unterversorgung (< 32ng/ml) auf, davon 16% mit Spiegeln
< 8ng/ml und 37% mit Spiegeln < 16ng/m.
- Der PTH-Spiegel zeigte dabei eine inverse Korrelation: in 29% war der dazugehörige
  PTH-Spiegel im hochnormalen Bereich: 46-65ng/ml,
- in 16% im Sinne eines sek. HPT erhöht (> 65ng/ml).

Andere Studien zeigen, dass gerade die älteren und hochbetagten Osteoporose-Patienten (> 65 Jahre, immobile Heimbewohner) in mehr als 80% schwere Vitamin-D-Mangelzustände von << 10ng/ml (< 25nmol/l) aufweisen (z.B. Wiener Pflegeheim-Untersuchung von 2006: 80% < 5ng/ml). In der BRD haben alle


Osteoporose-Patienten mit Hüftfraktur erniedrigte Vitamin D-Spiegel < 30ng/ml, davon 50% < 15ng/ml.
Nach Simonelli C et al. (ASBMR, 2004) weisen Osteoporotiker mit Frakturen in 97.5% Vitamin D-Spiegel < 30ng/ml, in 80.8%: < 20ng% und in 52.5%: < 15ng/ml auf.

Fazit: Wir müssen also davon ausgehen, dass bei der Mehrzahl (> 50%) unseres Osteoporose-Patientenklientels Ausgangsspiegel von <. 15ng/ml und in mindestens 20% der Patienten ein schwerer Mangelzustand mit Werten von <. 10ng/ml vorliegen.

Die Gründe für die hohe Prävalenz des Vitamin D-Mangels bei postmenopausalen Frauen sind zahlreich und sind hauptsächlich durch folgende Faktoren bedingt:

- zu wenig ungeschützte Sonnenlicht-Exposition als die wichtigste Vitamin D-Quelle
(für ca. 80-90% der Vitamin D-Zufuhr verantwortlich), v.a. bei Senioren,
Heimbewohner und immobilen Patienten mit Aufenthalt in geschlossenen Räumen,
- unzureichende Vitamin D-Aufnahme über die Nahrung: die tägliche alimentäre
Vitamin D-Zufuhr deckt bestenfalls nur weniger als 20% des Bedarfs ab, da Vitamin
D-arme Ernährung in dieser Population die Regel ist.
- Im Alter nachlassende Synthese von Vitamin D in der Haut: Abnahme um 25% vom
25. bis zum 75. Lebensjahr; dies bedingt um 2/3 niedrigere 25(OH)D3-Spiegel
beim älteren Menschen.
- zu geringe Mengen an Vitamin D-Vorstufen 7-Dehydrocholesterin in der Haut
(Allein Dhesi, Gerontology, 2003: 49; van der Wielen et al., 1995: 346; Holick M. et
al., 1989: 2).

Generelle Vitamin D-Supplementation: warum und wieviel ?
- 400 I.E ? – 800 I.E. ? – 1.000 I.E. ? – 1.200 I.E. ? oder > 1.200 I.E ?

Bei der Wahl der Supplementationsdosis von Vitamin D müssen eine Reihe von Parametern und Einflussfaktoren berücksichtigt werden. So hängt die notwendige orale Vitamin D-Dosis zum Erreichen eines adäquaten (= „optimalen“) Vitamin D-Spiegels ab
- vom Ausgangswert des 25(OH)D3,
- dem gewählten bzw. angestrebten Zielbereich mit unterem Zielwert

(> 20ng/ml oder > 30ng/ml oder > 40 ng/ml),
- vom Ausmaß der Vitamin D-Versorgung über die Vitamin D-Synthese in der Haut:
Hier spielen folgende Faktoren eine Rolle: Aufenthaltsort: nördliche Breite,
Jahreszeit, Tageszeit und Ausmaß der Sonneneinstrahlung (UVB-Gehalt),
Häufigkeit und Dauer der Sonnen-Exposition, Fläche der sonnenexponierten Haut,
Einsatz von Sonnenblocker, Hautpigmentierung, altersabhängige Syntheseleistung
der Haut, Körperfettanteil als Maß für Vitamin D-Speicherung.
- vom Ausmaß der Vitamin D-Zufuhr über die Nahrung:
Hier spielen eine Rolle:
Alimentäre Vitamin D-Zufuhr durch Auswahl geeigneter Nahrungsmittel, Höhe der
enteralen Resorptionsquote bzw. Beeinträchtigung der Resorption für fettlösliche
Vitamine bei Vorliegen von Malassimilationssyndromen: z.B. Sprue.
- vom potentiellen Mehrbedarf bei Interferenz mit dem Vitamin D-Stoffwechsel:
Einnahme von Medikamenten, z.B. Antikonvulsiva mit Interferenz bei der
hepatischen Hydroxylierung bzw. beschleunigtem Abbau des Vitamin D.
- vom Vorliegen von Begleiterkrankungen mit Vitamin D-Metabolisierungstörung
: z.B. Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz

Vitamin D-Versorgung in Deutschland und der Schweiz: Wunsch und Wirklichkeit:

Die von M. Holick beschriebene Versorgung mit 1000 I.E. Vitamin D durch Synthese über die Haut bei Sonnenlicht-Exposition von 10-15 Min 2-3x/Woche auf Gesicht, Hände, Arme oder Rücken (= 6% der Körperoberfläche oder 25-50% einer mittleren Sonnenlichtexposition bis zur Hautrötung (MED) kann in Deutschland nur bei sonnigem Wetter und ausreichend langem Aufenthalt im Freien mit Hautexposition ohne Sonnenblocker (bei UV-Schutzfaktor ab 8: Vitamin D-Synthese in Haut: - 97.5%) erreicht werden.

Fakt ist, dass über das Jahr gerechnet aufgrund der zahlreichen Störeinflüsse der Vitamin D-Synthese in der Haut in der Regel nur ca. 50% der eingeplanten Vitamin D-Dosis (nur ca. 400-500 I.E./die) erreicht werden können (Mensink, 2001).
- Die Gründe dafür sind: u.a. zu geringe Zahl von Sonnentagen in Deutschland im
Herbst, Winter und Frühjahr, manchmal sogar im Sommer; bei Wolken: Abfall der
Vitamin D-Synthese in der Haut: - 50%, bei Schatten und Smog: - 60%, UV-Blocker
> 8: - 97.5%, bei schwarzer Hautfarbe: - 300-600%.

- Die Leitlinien-Empfehlung: „30 Minuten täglich im Freien mit Kleidung“ ist
somit aufgrund der zu geringen UVB-Einstrahlung vom Oktober bis März in Mitteleuropa absolut unzureichend.

- Dazu kommt, dass sich die älteren Osteoporose-Patienten in der Regel aufgrund
ihrer Immobilität kaum oder nur selten, auf alle Fälle nicht täglich im Freien
aufhalten.